Ein zentraler Bestandteil der ISO 50001 ist die energetische Bewertung – ein Prozess, der nicht nur gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern auch entscheidend für den Erfolg eines Energiemanagementsystems ist. In diesem Artikel erklären wir, warum eine energetische Bewertung wichtig ist, was dazugehört und wie sie effektiv durchgeführt wird. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf die Erstellung einer Energiebilanz und die Definition wesentlicher Energieverbraucher (SEU).
Was ist eine energetische Bewertung und warum ist sie wichtig?
Eine energetische Bewertung ist die Grundlage für jedes Energiemanagementsystem. Sie dient dazu, systematisch Daten über den Energieverbrauch eines Unternehmens zu sammeln, zu analysieren und zu bewerten. Das Ziel: Die wesentlichen Energieverbraucher (Significant Energy Users, SEU) zu identifizieren und Ansatzpunkte für Verbesserungen der Energieeffizienz zu finden.
Die energetische Bewertung hilft Energiemanagern dabei:
- Verbrauchsstrukturen zu verstehen: Welche Strukturen und Verbraucherstrukturen existieren im Unternehmen? Welche Systeme, Anlagen und Prozesse verbrauchen wie viel Energie?
- Optimierungspotenziale zu erkennen: Wo lassen sich Einsparungen realisieren?
- Energieziele zu definieren: Welche Bereiche bieten das größte Potenzial für Verbesserungen?
- Maßnahmen zu priorisieren: Welche Investitionen sind am wirkungsvollsten?

Die Erstellung einer Energiebilanz: Herzstück der energetischen Bewertung
Was ist eine Energiebilanz?
Die Energiebilanz ist ein zentrales Element der energetischen Bewertung. Sie stellt den Energiefluss im Unternehmen dar und bildet ab, wie viel Energie in das System hinein- und herausfließt. Dabei werden Verbrauchsdaten von Anlagen, Prozessen und Systemen erfasst und in einer klaren Struktur dargestellt.
Bestandteile einer Energiebilanz
- Energieflussstruktur: Darstellung aller Energieein- und -ausgänge sowie die Zuordnung zu spezifischen Verbrauchern.
- Verbrauchsdaten: Erhebung und Analyse von Daten über den Energieverbrauch einzelner Systeme, Anlagen und Prozesse.
- Kategorisierung von Verbrauchern: Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Energieverbrauchern.
Warum ist die Energiebilanz entscheidend?
Die Energiebilanz ist die Basis für die Identifikation wesentlicher Energieverbraucher (SEU). Sie zeigt auf:
- Welche Verbraucher den größten Einfluss auf die Energieeffizienz haben.
- Welche Anlagen, Systeme oder Prozesse priorisiert werden müssen.
- Wie sich der Energieeinsatz über die Jahre verändert – beispielsweise durch neue Anlagen, veränderte Prozesse oder wechselndes Personal.

Der Prozess der energetischen Bewertung
1. Energieflussstruktur erstellen
Der erste Schritt besteht darin, die Energieflussstruktur des Unternehmens zu erstellen. Hierbei können Lagepläne und Hallenaufstellungspläne hilfreich sein, um alle Energieein- und -ausgänge sowie die spezifischen Verbraucher zu identifizieren und zu dokumentieren.
2. Datenpunktplanung
Auf Basis der Energieflussstruktur sollte analysiert werden, welche Datenpunkte vorhanden sind und welche fehlen. Diese Übersicht ist entscheidend, um eine gezielte Datenpunktplanung durchzuführen. Eine gute Datenpunktplanung enthält eine Übersicht aller für die Energiebilanz und das Energiemanagement wichtigen Datenpunkte. Dabei kann es sich um gemessene, geschätzte oder berechnete Daten handeln. Auch eine Übersicht über die Datenherkunft und -quelle sowie die Planung und Festlegung von benötigten Zeitreihenintervallen ist Bestandteil eines Datenpunktplans, der fortlaufend aktualisiert werden muss.
3. Daten sammeln
Im nächsten Schritt werden alle relevanten Energieverbrauchsdaten erfasst. Dabei sollten gemessene, geschätzte und berechnete Daten berücksichtigt werden. Die Form und das Intervall der Daten sowie Zeitreihen sind zu beachten. Die Daten können von Messgeräten, Monitoring-Tools, MES- oder ERP-Systemen, Excel-Dateien oder anderen Quellen stammen. Dieser Schritt erfordert eine systematische und gründliche Vorgehensweise.
4. SEU definieren
Basierend auf der Energiebilanz und den gesammelten Daten werden die wesentlichen Energieverbraucher (SEU) identifiziert. Diese bilden den Ausgangspunkt für alle weiteren Schritte. Neben den typischen Großverbraucher-SEU gehören dazu auch temporäre Optimierungs-SEU, die sich nicht zwangsläufig durch hohen Verbrauch, sondern durch erhebliche Optimierungspotenziale auszeichnen.
5. Einflussfaktoren identifizieren und dokumentieren
Für jeden SEU sollten die statischen und dynamischen Einflussfaktoren identifiziert und dokumentiert werden. Diese Faktoren können beispielsweise durch Prozessänderungen oder wechselnde Verantwortlichkeiten beeinflusst werden. Für die Bildung von Energiekennzahlen (EnPI) werden in der Regel Daten in Form von Zeitreihen zu den dynamischen Einflussfaktoren benötigt. Diese Datenpunkte sind ebenfalls Teil des Datenpunktplans.
6. Analyse und Bewertung
Nun erfolgt die Bewertung der Verbrauchsdaten, um Trends, Schwachstellen und Verbesserungspotenziale zu erkennen. Hierbei sollten auch Veränderungen wie neue Anlagen, Prozesse oder Verantwortlichkeiten berücksichtigt werden.
7. Maßnahmen ableiten
Basierend auf der Analyse werden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz definiert und priorisiert.

Fazit
Die energetische Bewertung ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines lebenden Energiemanagementsystems nach ISO 50001. Sie liefert die Datenbasis, um fundierte Entscheidungen zu treffen und die Energieeffizienz nachhaltig zu verbessern. Besonders die Erstellung einer Energiebilanz ist von zentraler Bedeutung, da sie den Ausgangspunkt für alle weiteren Aktivitäten und Maßnahmen bildet.